Personenwahl oder Listenwahl: Welches Wahlsystem kommt in ihrem Betrieb zur Anwendung?

Die Wahlsysteme bei der Betriebsratswahl

Personenwahl oder Listenwahl: Wie soll (oder muss) der neue Betriebsrat gewählt werden? Diese spannende Frage stellen sich nicht nur die Mitglieder des Wahlvorstands, sondern vor allem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die selbst bei der Betriebsratswahl kandidieren möchten.

Für beide Verfahren gibt es Argumente und Gegenargumente. Aber: Haben Sie überhaupt Einfluss auf das Wahlsystem? In diesem Artikel geben wir Ihnen einen Überblick über die wichtigsten Fragen zu Personenwahl und Listenwahl.

Was ist der grundlegende Unterschied zwischen einer Personenwahl und einer Listenwahl?

Bei einer Listenwahl hat jeder Wähler genau eine Stimme, die er einer Liste als Ganzes geben kann. Im Gegensatz dazu haben Wähler bei der Personenwahl jeweils so viele Stimmen wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Wenn das künftige Betriebsratsgremium neun Mitglieder haben wird, können die Wähler (müssen aber nicht) neun Stimmen abgeben. Bei der Personenwahl werden also einzelne Kandidaten gewählt, bei der Listenwahl eine komplette Liste.

Kann der Wahlvorstand entscheiden, ob eine Personenwahl oder eine Listenwahl stattfindet?

Niemand kann entscheiden, welche Form des Wahlverfahrens zur Anwendung kommt. Keine der Betriebsparteien, auch der Wahlvorstand nicht oder die Belegschaft haben darüber zu entscheiden, ob es zu einer Listenwahl oder einer Personenwahl kommt.

Oft wird der legitime Wunsch geäußert, dass die Betriebsratswahl als Personenwahl durchgeführt werden solle. Der Vorteil liegt darin, dass  Wählende genau diejenigen Kandidatinnen und Kandidaten wählen können, die sie überzeugt haben. Ebenso kann mit mehreren zu vergebenden Stimmen auch eine differenzierte Abstufungen getroffen werden. Die Listenwahl hat den Vorteil, dass auch Neulinge und andere Interessengemeinschaften, die sich zusammenschließen bessere Aussichten, gegenüber den altbekannten, etablierten Persönlichkeiten haben, auch tatsächlich zu punkten.

Die Vorteile des jeweils einschlägigen Wahlverfahrens können jedoch dahinstehen, da in erster Linie die gesetzlichen Normen bestimmen, wie tatsächlich gewählt wird.

Das vereinfachte Wahlverfahren wird in Form der Personenwahl durchgeführt. Bei dem normalen Wahlverfahren kann hingegen sowohl die Personenwahl oder die Listenwahl Anwendung finden.

Das vereinfachten Wahlverfahren ist für Kleinbetriebe, also Betriebe mit in der Regel 5 bis 50 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, nach § 14a Abs. 1 BetrVG zwingend vorgeschrieben. Soweit in dem Betrieb 51 bis 100 wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind, kann sich der Wahlvorstand gemeinsam mit dem Arbeitgeber auf die Anwendung des vereinfachten Wahlverfahrens einigen (§ 14a Abs. 5). Ansonsten findet das normale Wahlverfahren statt.

Das vereinfachte Wahlverfahren unterscheidet zudem zwischen dem einstufigen und dem zweistufigen Verfahren. Welches hiervon angewandt wird, hängt davon ab ob bereits ein Wahlvorstand bestellt wurde oder nicht. Sollte von dem Betriebsrat, dem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat oder durch das Arbeitsgericht, kein Wahlvorstand bestellt worden sein, wird dieser in einer Betriebsversammlung (erste Stufe) gewählt. Der gewählte Wahlvorstand leitet anschließend die Betriebsratswahl ein (zweite Stufe). Ist ein Wahlvorstand bereits bestellt worden, entfällt die erste Stufe und es findet ein einstufiges Wahlverfahren statt.

Ob im normalen Wahlverfahren eine Personen- oder eine Listenwahl durchgeführt wird, hängt davon ab wie viele Vorschlaglisten eingereicht wurden. Wurden mehrere Vorschlaglisten abgegeben kommt es zu einer Listenwahl. Existiert hingegen nur eine einzige Vorschlagliste kommt es automatisch zu einer Personenwahl. Bei dem normalen Wahlverfahren ist eine Personenwahl folglich nicht ausgeschlossen.

Wie muss eine Vorschlagsliste aussehen?

In beiden Verfahrensarten erfolgt die Kandidatur in Form von Vorschlagslisten (also auch bei der Personenwahl)! Wie viele Kandidatinnen und Kandidaten auf einer Liste stehen, ist unerheblich: Hier kann nur eine einzige Arbeitnehmerin oder ein einziger Arbeitnehmer stehen. Selbstverständlich können auch mehrere Kandidatinnen und Kandidaten auf einer Liste stehen. Bei jeder Vorschlagsliste (unabhängig davon, wie lang diese ist) muss die nötige Anzahl von Stützunterschriften vorliegen.

Im normalen Wahlverfahren müssen die Kandidatinnen und Kandidaten in einer erkennbaren Reihenfolge auf der Wahlvorschlagsliste aufgelistet sein. Wird eine weitere Wahlvorschlagsliste eingereicht, kommt es zur Listenwahl. Die Reihenfolge der Kandidatinnen und Kandidaten pro Liste ist dann maßgeblich für die Chancen einer/eines Bewerberin/Bewerbers, in den Betriebsrat gewählt zu werden oder nicht.

Bleibt es bis zum Ende der Einreichungsfrist bei nur einer Vorschlagsliste, dann findet zwar eine Personenwahl statt, die Kandidatinnen und Kandidaten werden aber in genau der gleichen Reihenfolge auf den Stimmzettel zur Wahl gesetzt, wie sie auch auf der Vorschlagsliste aufgeführt waren.

Im vereinfachten Wahlverfahren spielt es dagegen keine Rolle, ob eine oder mehrere Vorschlagslisten eingereicht werden. Alle Wahlbewerberinnen und Wahlbewerber aller Vorschlaglisten werden vom Wahlvorstand alphabetisch sortiert auf den Stimmzettel gesetzt. Der Aufbau der einzelnen Vorschlagslisten und die Reihenfolge der Kandidatinnen und Kandidaten kann durchaus wichtig sein.

Was bedeuten die Unterschiede für den Wahltag?

Die Unterscheidung zwischen Listenwahl und Personenwahl wirkt sich am Wahltag auf die Form der Stimmzettel und die Anzahl der zu vergebenden Stimmen aus. Entsprechende Musterstimmzettel beider Wahlsysteme finden Sie in hier auf unserer Seite!

Im Fall der Listenwahl sind auf den Stimmzetteln die einzelnen Listen aufgeführt. Die Reihenfolge, in der die Listen auf dem Stimmzettel erscheinen, ermitteln Sie als Wahlvorstand im Losverfahren. Außer dem Listenkennwort werden jeweils nur die ersten beiden Kandidatinnen oder Kandidaten pro Liste genannt. Es ist unerheblich, ob die Liste tatsächlich wesentlich länger ist. Jede/r Wähler/in hat genau eine Stimme, die er einer Liste geben kann.

Bei der Personenwahl finden sich sämtliche Kandidatinnen und Kandidaten in alphabetischer Reihenfolge auf dem Stimmzettel. Jede/r Wähler/in hat so viele Stimmen, wie Betriebsratsmitglieder zu wählen sind. Es ist auch zulässig weniger Stimmen abzugeben. Pro Kandidatinnen und Kandidaten kann jeweils nur eine Stimme vergeben werden. Eine Häufung mehrerer Stimmen auf nur einen einzige/n Bewerber/in zählen trotzdem nur als eine Stimme.

Welche Auswirkungen haben die Wahlsysteme auf die Sitzverteilung im Betriebsrat?

Wie die Sitze nach der Wahl im Betriebsrat verteilt werden, unterscheidet sich maßgeblich – je nachdem, ob als Personen- oder als Listenwahl gewählt wird.

  • Bei der Personenwahl werden die Sitze entsprechend der erreichten Stimmenzahl auf die einzelnen Wahlbewerber verteilt. Es kommen also die Personen in den Betriebsrat, die die meisten Stimmen erhalten.
  • Bei der Listenwahl ist erfolgt die Sitzverteilung nach dem sog. d’Hondtschen Höchstzahlensystem. Dabei werden die Stimmen, die auf jede Liste entfallen, nacheinander durch 1, 2, 3 usw. geteilt. Die letzte Zahl, durch die geteilt wird, entspricht der Anzahl der zu vergebenden Sitze. Auf diese Weise werden so viele Höchstzahlen ermittelt, wie Sitze im Betriebsrat zu vergeben sind. Anschließend werden die auf die einzelnen Listen entfallenden Höchstzahlen und damit die Sitzverteilung festgestellt.

Zur Wahl stehen drei Vorschlagslisten mit folgenden Bewerbern:

Liste IListe IIListe III
ArturGabyPaul
BenjaminHannaQuentin
ClaudetteIvanOttmar
DanielaJulian 
EricKai 
FerdinandLaurenz 

Für Liste I haben insgesamt 80 Wähler, für Liste II 50 Wähler und für Liste III 20 Wähler gestimmt.

Wie viele Betriebsratssitze auf welche Liste entfallen, bestimmt sich wie folgt:

Liste I = 80 StimmenListe II = 50 StimmenListe III = 20 Stimmen
80 : 1 = 8050 : 1 = 5020 : 1 = 20
80 : 2 = 4050 : 2 = 2520 : 2 = 10
80 : 3 = 26,750 : 3 = 16,720 : 3 = 6,7
80 : 4 = 2050 : 4 = 12,520 : 4 = 5
80 : 5 = 1650 : 5 = 1020 : 5 = 4
80 : 6 = 13,350 : 6 = 8,320 : 6 = 3,3
80 : 7 = 11,450 : 7 = 7,120 : 7 = 2,9

Die sieben Höchstzahlen betragen also: 80, 50, 40, 26,7, 25, 20 und nochmal 20.

Demnach sind auf der Liste I vier Höchstzahlen und somit vier Betriebsratssitze, auf Liste II zwei Höchstzahlen und damit zwei Sitze und auf Liste III eine Höchstzahl und damit ein Sitz.

Welche der Kandidatinnen und Kandidaten innerhalb der einzelnen Listen diese Sitze bekommen, richtet sich nach der Reihenfolge, in der diese auf der Liste stehen.

In unserem Beispiel sind daher folgende Personen in den Betriebsrat gewählt:

  • Aus Liste I: Artur, Benjamin, Claudette und Daniela
  • Aus Liste II: Gaby und Hanna
  • Aus Liste III: Paul

Die Sitze des Betriebsrats gemäß des Beispiels sind  auf drei Männern und vier Frauen verteilt. Die aus § 15 Abs. 2 BetrVG erforderliche Mindestsitzzahl für das Geschlecht in der Minderheit ist in diesem Fall erfüllt.